Schwarz - Blau, Rot, Gelb - Weiss


"The soul is the perceiver and revealer of truth."

Ralph Waldo Emerson, "Essays and Poems”

Form und Bewegung


Der Speichen dreimal zehn
auf einer Nabe stehn.
Eben dort, wo sie nicht sind,
ist des Wagens Brauchbarkeit.

Man knetet Ton zurecht
zum Trinkgerät:
Eben dort, wo keiner ist,
ist des Gerätes Brauchbarkeit.

Man meisselt Tür und Fenster aus
zur Wohnung.
Eben dort, wo nichts ist,
Ist der Wohnung Brauchbarkeit.

Wahrlich:
Erkennst du das Da-Sein als einen Gewinn,
Erkenne: Das Nicht-Sein macht brauchbar.

Lao-tse, Tao-Tê-King


„Für die Seelen ist es Tod zu Wasser zu werden, für das Wasser Tod zur Erde zu werden. Aus der Erde wird Wasser, aus Wasser Seele.

Heraklit


Jasmine, Katrin, Esme und Gabriel nach der Arbeit.

Wahrheit

«Kenne ich mein Verhältnis zu mir selbst und zur Außenwelt, so heiß' ich's Wahrheit. Und so kann jeder seine eigene Wahrheit haben, und es ist doch immer dieselbige.»

Goethe


Perlen mit matter, reflektierender Oberfläche auf schwarzer Pappe. Teelichter mit Farbfolien.



Gegenwart

"Wenn man etwas Wahres und Klares erspäht, ist man am Punkt Zero angelangt. Zero ist das griechische Wort für "reine Vision". Es bedeutet das, was Laurence Durell meint, wenn er "ionisch" schreibt."

Henry Miller "Der Koloss von Maroussi"


"Dabei ist alles so einfach. Sie können von einem gewöhnlichen Bambusblatt lernen, worauf es ankommt. Durch die Last des Schnees wird es herabgedrückt, immer tiefer. Plötzlich rutscht die Schneelast ab, ohne dass das Blatt sich gerührt hätte. Verweilen sie ihm gleich in der Höchsten Spannung, bis der Schuss fällt. So ist es in der Tat: wenn die Spannung erfüllt ist, muss der Schuss fallen, er muss vom Schützen abfallen wie die Schneelast vom Bambusblatt, noch ehe er es gedacht hat."

Eugen Herrigel, "Zen in der Kunst des Bogenschiessens"


Der tiefsten Tugend Gebaren,
Es folgt allein dem Wege.
Der Weg als ein Wesen
Ist ein Brauen, ein Glosen.
O Glosen, o Brauen!
Darin sind die Bilder.
O Brauen und Glosen!
Darin sind die Wesen.
O Dunkel, versunken!
Darin sind die Samen.
Die Samen sind Wahrheit;
Darin ist Treulichkeit.
Von alters bis heute
Ward sein Name nicht aufgehoben,
Um damit den Vater von allen Dingen zu deuten.
Und woher kenn Ich das Walten
Des Vaters von allen Dingen?
Durch dieses.

Lao-tse, "Tao-Te-King" (in der Reclam-Übersetzung von Günther Debon)


12. Mai. 2011   Es geht auch ohne Bildbearbeitung. Mit Schärfentiefe und in dem man der Perspektive ein Schnippchen schlägt:
Katrin Mauritz am Drücker (grün-rot).






Die drei Merkmale

Alle Gebilde sind unbeständig. Wer dies erkennt und durchschaut, der wendet sich ab vom Unzulänglichen. Dies ist der Weg der Läuterung.
Alle Gebilde sind unbefriedigend. Wer dies erkennt und durchschaut, der wendet sich ab vom Unzulänglichen. Dies ist der Weg der Läuterung.
Alle Dinge – vor allem mein Körper und mein Denken, Fühlen und Wollen – sind nicht mein ich. Wer dies erkennt und durchschaut, der wendet sich ab vom Unzulänglichen. Dies ist der Weg zur Läuterung.

Dhammapada (277-279)

Sie waren nicht lange gegangen, als der Zug sich vor einem großen ehernen Tore befand, dessen Flügel mit einem goldenen Schloß verschlossen waren. Der Alte rief sogleich die Irrlichter herbei, die sich nicht lange aufmuntern ließen, sondern geschäftig mit ihren spitzesten Flammen Schloß und Riegel aufzehrten.
Laut tönte das Erz, als die Pforten schnell aufsprangen und im Heiligtum die würdigen Bilder der Könige, durch die hereintretenden Lichter beleuchtet, erschienen. Jeder neigte sich vor den ehrwürdigen Herrschern, besonders ließen es die Irrlichter an krausen Verbeugungen nicht fehlen.
Nach einiger Pause fragte der goldne König: Woher kommt ihr? – Aus der Welt, antwortete der Alte. – Wohin geht ihr? fragte der silberne König. – In die Welt, sagte der Alte. – Was wollt ihr bei uns? fragte der eherne König. – Euch begleiten, sagte der Alte.
Der gemischte König wollte eben zu reden anfangen, als der goldne zu den Irrlichtern, die ihm zu nahe gekommen waren, sprach: Hebet euch weg von mir, mein Gold ist nicht für euren Gaum. Sie wandten sich darauf zum silbernen und schmiegten sich an ihn, sein Gewand glänzte schön von ihrem gelblichen Widerschein. Ihr seid mir willkommen, sagte er, aber ich kann euch nicht ernähren; sättiget euch auswärts und bringt mir euer Licht. Sie entfernten sich und schlichen, bei dem ehernen vorbei, der sie nicht zu bemerken schien, auf den zusammengesetzten los. Wer wird die Welt beherrschen? rief dieser mit stotternder Stimme. – Wer auf seinen Füßen steht, antwortete der Alte. – Das bin ich! sagte der gemischte König. – Es wird sich offenbaren, sagte der Alte, denn es ist an der Zeit.

(...)

 "Drei sind, die da herrschen auf Erden: die Weisheit, der Schein und die Gewalt."

(...)

Der Mann mit der Lampe führte nunmehr den schönen, aber immer noch starr vor sich hinblickenden Jüngling vom Altare herab und gerade auf den ehernen König los. Zu den Füßen des mächtigen Fürsten lag ein Schwert, in eherner Scheide. Der Jüngling gürtete sich. – Das Schwert an der Linken, die Rechte frei! rief der gewaltige König. Sie gingen darauf zum silbernen, der sein Zepter gegen den Jüngling neigte. Dieser ergriff es mit der linken Hand, und der König sagte mit gefälliger Stimme: Weide die Schafe! Als sie zum goldenen Könige kamen, drückte er mit väterlich segnender Gebärde dem Jüngling den Eichenkranz aufs Haupt und sprach: Erkenne das Höchste!


Johann Wolfgang von Goethe "DAS MÄRCHEN von der grünen Schlange und der Lilie" (1795)

Das Gefühl


Bild 1: Fotografie eines Prismenspektums, das auf ein schwarzes Papier projiziert wurde.
Am oberen Rand des Prismenspektrums ist der Lichthof einer kleinen LED-leuchte zusehen, in den das Farbenband mündet.

Bild 2: Weiter bearbeite Fassung von Bild 1, in der durch Aufhellung die Farben Blau, Gelb und Rot weiter verstärkt und herausgeholt wurden.

Bild 3: Mehrmals vom Computerbildschirm abfotografierte und nachbearbeitete Version von Bild 2, um die Grundfarben Gelb, Rot und Blau weiter zum Tragen zu bringen und um das Schwarz zu verstärken.

Bild 4:
Fotografie von Bild 3 mit Händen und weisser und schwarzer Sprühdose.


Die Endfassung auf dem Hintergrund von Bild 4 mit blauen, gelben und roten Sprühnebel.


"Ja, es gibt tote und lebendige Gedanken. Das Denken, das sich an der beschienenen Oberfläche bewegt, das jederzeit an dem Faden der Kausalität nachgezählt werden kann, braucht noch nicht das lebendige zu sein. Ein Gedanke, den man auf diesem Wege trifft, bleibt gleichgültig wie ein beliebiger Mann in der Kolonne marschierender Soldaten. Ein Gedanke, - er mag schon lange vorher durch unser Hirn gezogen sein -, wird erst in dem Momente lebendig, da etwas, das nicht mehr Denken, nicht mehr logisch ist, zu ihm hinzutritt, so daß wir seine Wahrheit fühlen, jenseits von aller Rechtfertigung, wie einen Anker, der von ihm aus ins durchblutete, lebendige Fleisch riß [...].
Eine große Erkenntnis vollzieht sich nur zur Hälfte im Lichtkreise des Gehirns, zur anderen Hälfte in dem dunklen Boden des Innersten, und sie ist vor allem ein Seelenzustand, auf dessen äußerster Spitze der Gedanke nur wie eine Blüte sitzt.”

Robert Musil, Die Verwirrungen des Zöglings Törleß